ZEN - Geschichten



 


"man wird sehen"

Ein Bauer hatte ein Pferd, aber eines Tages lief es fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen.
Die Nachbarn sagten: “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!”
Aber der Bauer antwortete: “man wird sehen”

Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit.
“So viel Glück!” riefen die Nachbarn,
aber der Bauer sagte: “man wird sehen”

Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, die wilden Pferde einzureiten – aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid,
aber der Bauer sagte wieder: “man wird sehen”

Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen.
Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause
“Was für ein Glück, daß dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!”
freuten sich die Nachbarn.
Aber der Bauer bemerkte nur: “man wird sehen”



"ach, ist das so?"

In einem Dorf, in dem der große ZEN-Meister Hakuin lebte, wurde ein Mädchen schwanger.
Ihr Vater wollte sie zwingen, ihm den Namen des Liebhabers zu nennen,
und so sagte sie schließlich, nur um einer Bestrafung zu entgehen, dass es Hakuin war.


Da schwieg der Vater, aber als die Zeit der Geburt gekommen war,
brachte er das Baby sofort zu Hakuinund warf es ihm hin.
„Es scheint, dass dies Dein Kind ist“, sprach er und empörte sich lang und breit über diese Schande.
Der ZEN-Meister sagte nur: "ach, ist das so?" - und nahm das Baby in seine Arme.

 
Wohin er ging, nahm er das Baby mit, eingewickelt in den Ärmel seines zerlumpten Gewandes.
An regnerischen Tagen und in stürmischen Nächten ging er in die Nachbarhäuser und bettelte um Milch.
Viele seiner Schüler, die ihn als gefallen betrachteten, wandten sich gegen ihn und zogen davon.
Und Hakuin sagte kein einziges Wort.


Unterdessen entdeckte die Mutter, dass sie den Schmerz, von ihrem Kind getrennt zu sein, nicht länger ertragen konnte.
Sie bekannte den Namen des wirklichen Vaters, und ihr eigener Vater eilte zu Hakuin,
warf sich vor diesem nieder und bat ihn immer wieder um Vergebung.
Der ZEN-Meister sagte nur: 
"ach, ist das so?"
- und gab ihm das Kind zurück.




Vom Nehmen und Geben



Eines Tages drang ein Dieb in die Hütte des Zen-Meisters Shichiri Kojun ein:
«Geld her oder ich werde dich töten!», drohte er.

Kojun erwiderte ruhig:
«Mein Geld ist dort drüben in der Schublade.

Nimm es dir, aber vielleicht bist du so nett und läßt mir noch ein klein wenig übrig,
da ich morgen noch etwas Reis einkaufen möchte.»

Der Dieb war zwar sehr erstaunt, nahm sich dann aber doch fast das ganze Geld.

Als er schon an der Tür war, sagte Kojun:
«Wenn man etwas erhalten hat, sollte man sich auch dafür bedanken.»

«Danke», erwiderte der Dieb kopfschüttelnd und verschwand.

Wenig später wurde der Mann bei einem anderen Einbruch verhaftet,
und er gestand, unter anderem auch den Zen-Meister bestohlen zu haben,
der daraufhin zur Polizeiwache gerufen wurde.

«Er hat auch euer Geld gestohlen, nicht wahr?», fragte der Polizist.

«Oh nein, er hat mir nichts gestohlen.
Ich gab ihm das Geld, und er bedankte sich dafür», sagte Kojun
.

Als der Mann seine wegen der anderen Vergehen gegen ihn verhängte Strafe verbüßt hatte,
kam er zu Zen-Meister Kojun und bat darum, sein Schüler werden zu dürfen.



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